Allgemein / 11.12.2023

Interview mit Christian Joisten (SPD)

"Ohne ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum können Menschen die anderen vielfältigen sozialen und kulturellen Vorteile unserer Stadt nicht nutzen."

1. Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten stadtentwicklungspolitischen Themen für Köln?

Die Antwort ist einfach: Wohnen, Wohnen, Wohnen! Denn ohne ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum können Menschen die anderen vielfältigen sozialen und kulturellen Vorteile unserer Stadt nicht nutzen. Nach dem Nr. 1-Thema Wohnen kommen für mich direkt die Schaffung von Gewerbeflächen und der Ausbau des Bus- und Bahnnetzes in unserer Stadt. Die Kölnerinnen und Kölner haben es verdient, sich genauso schnell und unkompliziert durch ihre Stadt zu bewegen, wie dies die Menschen in Hamburg, Paris oder London in ihrem Alltag können.

2. Wie bewerten Sie, auch in Bezug auf die von Ihnen genannten Themen, die bisherige Arbeit des Ratsbündnisses?

Das Ratsbündnis ist in sich zerstritten und legt keine erkennbaren Schwerpunkte. Das ist schade für die Menschen, denn so geht es in Köln weder beim Wohnungsbau, noch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen oder dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur voran. Beim Wohnungsbau erreicht Köln nicht mal annähernd seine Ziele. Im Gegenteil hat das Ratsbündnis mit seiner Haltung zum Regionalplan klar gemacht, dass es am liebsten gar keine zusätzlichen Flächen für Wohnungsbau bereitstellen will.

3. Als WIK plädieren wir seit zehn Jahren für die Schaffung von mehr Wohnraum in Köln. Der Bedarf ist weiter hoch und steigend. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation am Kölner Wohnimmobilienmarkt?

Die Lage auf dem Immobilienmarkt ist deutschlandweit problematisch wegen der schwierigen Rahmenbedingungen. Da macht Köln keine Ausnahme. Für uns als SPD ist wichtig, dass wir Köln wieder auf Wachstumskurs bringen und unseren Schwerpunkt auf die Schaffung von bezahlbarem, also gefördertem Wohnraum legen. Dazu haben wir mit dem Kooperativen Baulandmodell ein gutes Instrument in der Hand, das für alle Akteure verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Hieran wird die SPD auf jeden Fall festhalten.
Die Stadt muss jetzt vorangehen und den interessierten Investoren Bauland zur Verfügung stellen. Für uns als SPD ist klar: Wer 100% geförderten Wohnraum schafft, soll das Bauland mit einem Erbbauzins von 0% erhalten. So schaffen wir Anreize, wirklich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

4. Zuletzt wurde über die Situation des Kölner Wohnungsbauforums diskutiert. In dem Forum sitzen neben der Oberbürgermeisterin Henriette Reker zuständige Dezernentinnen und Dezernenten, Vertreterinnen und Vertreter der Ratsfraktionen und der Wohnungswirtschaft. An einer Neugestaltung wird gearbeitet. Welchen Stellenwert hat das Wohnungsbauforum für Sie?

Der Austausch zwischen allen Akteurinnen und Akteuren auf dem Kölner Wohnungsmarkt ist für uns extrem wichtig. Dieser Austausch muss aber zukünftig auf Augenhöhe und ergebnisorientiert stattfinden. Reine Rederunden, in denen nichts beschlossen wird, helfen am Ende niemandem weiter. Wir sind gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten, damit dieses eigentlich wichtige Gremium in Zukunft tatkräftig die Rahmenbedingungen bereiten kann, damit Stadt, Politik und Wohnungswirtschaft hier konstruktiv an Lösungen für bezahlbaren Wohnraum in Köln arbeiten.

5. Die SPD-Fraktion hat jüngst einen umfassenden Antrag zur Verbesserung der Wohnraumsituation in Köln eingereicht. Wie sieht Ihre Lösung aus? Stellen Sie doch bitte die wesentlichen Eckpunkte einmal vor.

Wir schlagen ganz konkrete Maßnahmen vor, mit denen sofort Bewegung in den Wohnungsbau kommt. In der Stadtverwaltung muss in Sachen Wohnungsbau endlich der Knoten platzen. Dazu braucht es eine
„Taskforce bezahlbarer Wohnraum“, die den Weg für nötige Entscheidungen innerhalb der Stadtverwaltung frei macht. Zudem ist klar: Günstige Mieten gibt es nur mit öffentlicher Förderung. Deshalb schlagen wir ein neues Wohnungsbauförderprogramm von
einer Milliarde Euro vor, das den geförderten Wohnungsbau über die nächsten zehn Jahre anschiebt und trägt. 

6. Mit Ihrem zentralen Ansatz, den Wohnungsbau in den Mittelpunkt zu stellen, haben Sie einen bemerkenswerten Aufschlag gemacht. Gleichwohl scheinen einzelne Punkte Ihres Positionspapiers am linken Spektrum Ihrer Partei ausgerichtet zu sein. Wie schätzen Sie Ihre Möglichkeiten ein, hier Mehrheiten im Kölner Rat gewinnen zu können.

Wir haben gute Signale aus vielen Richtungen bekommen, sowohl aus der Politik und der Verwaltung als auch aus der Immobilienwirtschaft. Wir wollen jetzt gemeinsam mit allen ausloten, welche Maßnahmen wir anstoßen können, damit die Menschen schnelle Entlastung auf dem Wohnungsmarkt spüren. Wir stehen dafür bereit.
 

7. In Hamburg sehen wir ein erfolgreiches Modell dafür, wie Politik aktiv im Wohnbündnis mit Stadtverwaltung und Wohnungswirtschaft involviert ist. Wie stehen Sie zu einem vergleichbaren Ansatz, um die Situation rund um das Wohnen in Köln zu verbessern.

Hamburg hat schon unter Olaf Scholz als Erstem Bürgermeister die richtigen Grundlagen gelegt; hier hat Köln Nachholbedarf. In Hamburg geht man jetzt unter anderem den Weg, dass die Bezirke Potentialflächen für Wohnungsbau identifizieren. Das hat natürlich den Vorteil, dass die Entscheidungsträger*innen viel näher dran sind und genauer wissen, was wo geht. Das könnte auch ein Vorbild für Köln sein: Innerhalb der Stadtbezirke müssen Ideen entwickelt und Flächen bereitgestellt werden, auf denen dann zügig Wohnungen gebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass damit auch die Akzeptanz größerer Projekte vor Ort steigt.

8. Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial für Köln? Welche Vision haben Sie für Köln und wohin soll sich die Stadt bis 2040 entwickeln?

Wir wollen alle Potentiale heben, was den Wohnungsbau angeht: Es muss nachverdichtet werden, wo im Bereich bestehender Gebäude noch Platz ist. Bestehende Gebäude sollen – wo möglich – aufgestockt werden. Beim Wohnungsneubau können wir uns auch vorstellen, mehr in die Höhe zu gehen und statt 4 Stockwerken öfter auch mal 6 oder 7 Stockwerke zuzulassen, auch wenn das über die bestehende Bebauung hinausragt. Und wir müssen uns zusammensetzen und uns darauf verständigen, wo vielleicht auch neue Stadtteile entstehen können. Rondorf Nord-West und Kreuzfeld dürfen nicht die letzten Neubaugebiete von Köln bleiben. Wir als SPD sind überzeugt: Es gibt noch Platz für neue Kölnerinnen und Kölner!

9. Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden: Was würden Sie in Köln bauen?

Unter diesen Umständen würde ich mir den Bau eines echten Metro-Systems für Köln wünschen. Keine lahmen unterirdischen Straßenbahnen, die alle paar Meter halten, sondern nach dem Vorbild anderer Metropolen ein System von Schnellzügen unter der Stadt, das die Menschen schnell von einem Ende ans andere Ende der Stadt bringt. Denn es ist klar: Die vielen Menschen in Köln sollen sich langfristig nachhaltig bewegen und das natürlich nicht mit dem Auto, sondern mit einem zuverlässigen, schnellen und komfortablen ÖPNV. Mittelfristig werden wir überhaupt nicht darum herumkommen, die Kapazitäten der KVB erheblich auszubauen. Ein gesamtstädtisches Metro-Netz würde genau das schaffen und das bestehende KVB-Netz bestens ergänzen.