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15. August 2025

"Einfach bauen, statt Vorurteile zementieren"

DREAM INSPIRATION - stock.adobe.com

Der Vorstand der Wohnungsbau Initiative Köln – Interessenvertretung von 36 Bauträgern, Projektentwicklern und branchennahen Dienstleistern aus der Domstadt – hat sich angesichts der anhaltenden Wohnbaukrise auf der Suche nach Lösungen intensiv die Parteiprogramme zur Kommunalwahl angeschaut.

 

Die SPD möchte künftig 6.000 neue Wohnungen pro Jahr in Köln bauen, 2.000 davon öffentlich gefördert. Eine gute Nachricht für die Immobilienwirtschaft und ein Bonus für Torsten Burmester?

Stefan Rappen: Das Ziel ist ambitioniert und zu begrüßen. Es entspricht dem Wohnbündnis aus 2017 zwischen der Stadt und der WIK. Realistisch ist es jedoch nur mit einem grundlegenden Wandel in Planung, Genehmigung und Flächenfreigabe. Derzeit sind die Rahmenbedingungen für die Verfahren zu kompliziert, die Flächen zu knapp und die Genehmigungsprozesse zu langwierig. Besonders die Quote von 2000 geförderten Wohnungen ist bei aktuellen Baukosten und niedriger Förderung schwer zu erreichen. Hier braucht es neben städtischen Investitionen auch flexible Förderinstrumente des Landes. Die Idee ist richtig, an der Umsetzbarkeit könnte es vermutlich hapern.

SPD, VOLT, Grüne und Linke haben angekündigt, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen zu wollen. Ist das vielleicht die Lösung des Wohnraumproblems?

Petra Edelbluth: Eine neue städtische Wohnungsgesellschaft aufzubauen, bedeutet vor allem einen großen Verwaltungsaufwand, Strukturentwicklung und vor allem Personalrekrutierung. Die Umsetzung der Ziele wird viele Jahre dauern. Gerade die Effizienz bestehender Player wie GAG (mit städtischer Beteiligung von 88 Prozent) oder Moderne Stadt sollte gezielt genutzt werden, anstatt parallele, bürokratische Strukturen zu schaffen. Kooperation statt Wettbewerb innerhalb der Stadt wäre hier zielführender. Für schnellen Neubau ist die private mittelständische Bauwirtschaft besser aufgestellt. Sofern man sie lässt.

In nahezu jedem Programm findet sich der Hinweis, dass Verfahren und Genehmigungen beschleunigt werden sollen. Allein der Hinweis auf dieses Problem macht es aber doch nicht besser.

Holger Coers: Die Einführung einer Taskforce zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist ein lang ersehntes Signal an die Branche. Eine zentrale Steuerung mit klaren Zuständigkeiten, Priorisierung und mehr Personal kann tatsächlich den Unterschied machen. Digitalisierung allein reicht nicht. Es braucht Entscheidungskompetenz und Mut zur Verantwortung – einen Mentalitätswandel. Der Vorrang für sozialen Wohnungsbau muss mit praktikablen Kriterien definiert werden, um nicht neue Bürokratie zu schaffen. Wenn die Taskforce richtig aufgestellt ist, kann sie zum echten Beschleuniger werden. Insofern ist das ein überfälliger Schritt mit Potenzial. Das kann aber nur gelingen, wenn Wohnungsbau wirklich zur „Chefsache“ wird. Positiv anmerken lässt sich dazu, dass die Wohnungsbauleitstelle da bereits viel geleistet hat, um das Vertrauen von Vorhabenträgern zu gewinnen.

Apropos: Die Verwaltung hat angekündigt, mit Hilfe der Akteure einen „Köln-Standard“ zu entwickeln und Potenziale für Baukostensenkungen zu eruieren, um nach Hamburger Vorbild Wohnraum wieder bezahlbar zu machen. Was erwarten Sie von dem Prozess?

Holger Coers: Wir hoffen, dass wie zuletzt angekündigt tatsächlich im September das Votum der Politik zu diesem Prozess erfolgt. Die Arbeit an dem Programm „Wohnungsbau stärken“ hat insofern etwas gebracht, als dass wir feststellen mussten, dass alle Beteiligten unbedingt an einen Tisch gehören. Dazu sollten wirklich alle Dezernate an einem Tisch sitzen und ergebnisorientiert und frei von dogmatischen Haltungen nach praktikablen Lösungen suchen. Wohnraum zu schaffen ist ohnehin ein komplexes Thema und ohne klare Ziele und gegenseitiges Verständnis wird das nicht funktionieren.

Sie sprechen sich anders als SPD, Linke und Grüne dagegen aus, städtische Grundstücke nur noch in Erbpacht zu verkaufen. Was spricht für Sie dagegen?

Petra Edelbluth: Die Umstellung auf Erbpacht für städtische Grundstücke sichert langfristig mehr kommunale Kontrolle, doch für Investoren ist das Modell vielfach unattraktiv. Bei hohen Baukosten und Zinsen ist die Finanzierung von Projekten auf Erbpachtbasis schwer darzustellen, was zu Investitionszurückhaltung führt. 
Gerade Bauträger mit hohem Eigenkapitalbedarf und Finanzierung über Banken bevorzugen Eigentum. Wenn Erbpacht, dann müssen die Konditionen marktgerecht, planbar und zinslich attraktiv sein – am besten indexiert mit Bestandsschutz. Null-Prozent-Zins für 100 %-sozialen Wohnungsbau ist ein guter Ansatz, reicht aber nicht, um breite Investitionen zu sichern.

Sind Sie überrascht, dass die SPD in Köln reduzierte Energieeffizienzstandards akzeptieren möchte, um günstigeres Bauen zu ermöglichen?

Holger Coers: Ein praktischer Ansatz, den wir bereits mit Hinweis auf den bisherigen Sonderstatus der Kölner Politik in Deutschland in die Diskussion eingebracht haben. Die Reduktion auf vertretbare Energieeffizienzstandards wie EH 55 ist ein wichtiger Schritt in Richtung Kostenwahrheit im Wohnungsbau. Höhere Standards wie EH 40 oder Passivhaus treiben die Baukosten in die Höhe und verhindern oft die wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Der Fokus auf sozialverträgliche Standards, die bezahlbaren Wohnraum ermöglichen, ist überfällig. Energieeffizienz muss mit Wirtschaftlichkeit vereinbar sein. Gerade im sozialen Wohnungsbau zählt der Quadratmeterpreis mehr als das letzte Prozent CO₂-Einsparung.

Nachverdichtung, Dachausbau und die Überbauung von Supermärkten bieten für SPD, Grüne, CDU und Volt enormes Potenzial. Ist das nicht ausreichend, um schnell mehr Wohnraum zu schaffen?

Stefan Rappen: Es stimmt, diese Maßnahmen ermöglichen im Idealfall schnellen, flächenschonenden Wohnungsbau in bestehender Infrastruktur. Doch sie scheitern oft an Eigentumsverhältnissen, planungsrechtlichen Hürden, Mikroklimagutachten oder fehlender Bereitschaft zur Abweichung von Bebauungsplänen. Hier braucht es klare Regelungen, Standardverfahren und politische Rückendeckung. Wenn die SPD diese Blockaden auflösen will, ist das ein wichtiger Schritt. Aber es muss einfach und machbar werden, sonst bleibt es bei guten Ideen ohne Wirkung. Die Lösung liegt wie so oft im sowohl als auch beim Wohnungsbau. Neben den genannten Maßnahmen hat auch der Neubau seine klare Berechtigung.

Die FDP hat sich anders als z.B., die Grünen noch nicht vom klassischen Einfamilienhaus verabschiedet. Wie sieht eigentlich die Nachfragesituation wirklich aus? Ist das Einfamilienhaus tatsächlich ein Auslaufmodell?

Holger Coers: Ganz und gar nicht. Die FDP erkennt, dass viele Familien in Ballungsräumen Einfamilienhäuser bevorzugen – gerade am Stadtrand. Diese Nachfrage zu ignorieren, wäre wohnungspolitisch blind. Gleichzeitig setzt sie auf serielle Bauweisen zur Kostenreduktion – ein längst überfälliger Schritt, der aus Sicht der Projektentwickler große Chancen bietet. Entscheidend ist, dass Flächen dafür zur Verfügung gestellt werden. Wer günstigen Wohnraum fordert, muss auch industrielle Methoden zulassen. Die FDP bringt hier ein pragmatisches Verständnis von Wohnvielfalt mit – das könnte Köln aus der wohnungspolitischen Schieflage helfen.

Die FDP adressiert mit einer anderen Forderung auch die Landespolitik: Sie fordert die Förderung von Wohneigentum sowie die Einführung eines Grunderwerbsteuer-Freibetrages von 500.000 Euro beim Ersterwerb. Hilft das wirklich?
Stefan Rappen. Wir sind uns mit dem BFW-Landesverband NRW einig, der unsere Mitglieder auf überregionaler Ebene vertritt: Ein überfälliger Vorstoß. In Köln wird Eigentum systematisch verteuert – durch hohe Nebenkosten, Grunderwerbsteuer und Baulandpreise. Die FDP setzt mit einem Freibetrag ein richtiges Signal an junge Familien und Mittelschichtshaushalte: Eigentum ist wieder erreichbar. Das stärkt die Eigenverantwortung, stabilisiert Quartiere und entlastet langfristig den Mietmarkt. Für die WIK ist klar: Ohne Eigentumsförderung wird sich die soziale Balance in der Stadt weiter verschieben.

Gibt es eine Forderung der FDP, die Sie auf kommunaler Ebene gerne umgesetzt sehen würden?

Petra Edelbluth: Kreativ ist die Forderung nach einem Entfesselungsbeschluss, der für die Aussetzung von Konzeptvergaben, Milieuschutz und Kooperativem Baulandmodell für fünf Jahre sorgen soll. Das wäre radikal, aber wirkungsvoll: Eine Vielzahl an planungspolitischen Instrumenten wie Milieuschutz, Konzeptvergabe und Baulandmodell mag gut gemeint sein, blockiert aber häufig die dringend benötigte Wohnraumschaffung. Solange Investoren nicht wissen, was sie auf einer Fläche dürfen und wie lange es dauert, bleibt die Baupipeline leer. Eine temporäre Entbürokratisierung könnte Köln dringend benötigte Luft verschaffen.

Während die FDP gar die Aussetzung des Kooperativen Baulandmodells fordert, möchte VOLT das Modell um zusätzliche 20% preisgedämpften Wohnraum ausweiten. Die Grünen möchten den Anteil an sozial gebundenem Wohnraum auf 50 Prozent heben, die Linken möchten gar 75 Prozent öffentlich geförderten Wohnraum realisieren. Was sagen Sie zu solchen Plänen?

Stefan Rappen: Das würde für private Investoren ein erhebliches Hemmnis bedeuten. Das Kooperative Baulandmodell ist bereits Standard. Die geplante Verschärfung erhöht den Druck auf Projektentwickler massiv. Mehr preisgebundener Wohnraum klingt sozial, ist jedoch ohne finanzielle Kompensation ein Investitionshemmnis. Projektentwickler müssen Wirtschaftlichkeit nachweisen. Wenn das Modell kippt, droht Planungsstillstand. Besser wäre: flexible Quoten je nach Standortpotenzial und eine faire Lastenverteilung zwischen Stadt und Investoren. Die Forderung der Linken ist wirtschaftlich nicht umsetzbar. Ohne massive Zuschüsse wird kein Investor bereit sein, solche Quoten zu erfüllen. Die Folge: Rückzug vom Markt, Bauverzögerungen und Projektabbrüche.

VOLT setzt im Wahlprogramm u.a. auf städtebauliche Wettbewerbe und Bauen mit nachhaltigen Materialien. Ist das nicht ein weiterer Kostenfaktor?
Holger Coers: Holz, Recycling, Architekturpreise – klingt gut. Aber bitte realistisch bleiben! Nachhaltige Materialien und innovative Architektur sind wünschenswert, doch oft teuer und in Köln nicht genehmigungssicher. Ohne Entschlackung des Bauordnungsrechts und finanzielle Förderung bleibt der ökologische Anspruch ein Wunschbild. Für Entwickler zählen klare Rahmenbedingungen, kurze Verfahren und Planungssicherheit. Wettbewerbe müssen konstruktiv statt kunstverliebt sein – nicht jedes Projekt braucht zwingend einen Wettbewerb, die Kosten für diese Veranstaltungen trägt am Ende auch der Erwerber. Da wird es schnell sechsstellig, wenn alle Wünsche der Verwaltung berücksichtigt werden sollen.

Geht es nach der CDU, werden neue Flächen ausgewiesen und entwickelt. Die Grünen haben in den letzten Jahren ein klares Bekenntnis zu mehr Flächen für den Wohnbau bisher vermieden. Was bedeutet das für den Fall, dass die Grünen in Köln regieren?

Stefan Rappen: Das fehlende Bekenntnis zur umfassenden Flächenentwicklung für den Wohnungsbau verschärft zu Lasten der Wohnungsuchenden die Probleme am Wohnungsmarkt. Die Erschließung neuer Baugebiete ist dringend nötig, um den Druck zu reduzieren. Hier bedarf es eines deutlichen Politikwechsels: weg von der stagnierenden Politik des Bestandschutzes hin zu einem Bekenntnis für eine prosperierende und wachsende Stadt. Nur so kann durch die Politik auch die soziale Frage nach ausreichend Wohnraum nachhaltig gelöst werden. Wir setzen darauf, dass auch die Grünen im Falle eines Falles unter Berücksichtigung aller Faktoren in Köln auf Realpolitik setzen. Gespräche und Konsens mit der Immobilienwirtschaft gehört da sicher zu.