Artikel / 14.12.2022

„Weg vom Verkehrsraum hin zum Raum für alle“

„Weg vom Verkehrsraum hin zum Raum für alle“

Umbau der Domplatte, Neue Historische Mitte, Parkstadt-Süd, Kreuzfeld und Deutschlands größtes Stadtentwicklungsprojekt Deutzer Hafen: In Köln tut sich in Theorie und Praxis sehr viel. ist viel noch zu wenig? Wir haben nachgefragt – bei Markus Greitemann, Dezernent für Planen und Bauen.

Portrait Markus Greitemann

Herr Greitemann, Ihr Dezernat kann sich über Arbeit nicht beschweren. Derzeit befindet sich vieles in Planung, was die Stadt verändern wird. Wie sieht Köln 2030+ aus?

Markus Greitemann: Zukünftig soll die Rolle der Kölner Quartiere, der Veedel, weiter gestärkt werden. Gerade die heutigen Krisenzeiten zeigen, dass gemischte Quartiere die Resilienz einer Stadt ausmachen. In Zukunft müssen wir die Stadt wieder stärker mischen, Wohnen und Arbeiten zusammen denken, aber genauso auch die Generationen von Jung bis Alt. In den gewachsenen Veedeln unserer Stadt gilt es, diese Mischung zu stärken. In den neuen Quartieren wie beispielsweise im Deutzer Hafen müssen wir – und tun es bereits – sie von Anfang an mitdenken.

Wie wirkt sich das auf das Leben und Arbeiten aus?

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass sich das Arbeits- und Lebensumfeld zukünftig weiter verschneiden werden, ein Beispiel ist hier die verstärkte Nutzung des Homeoffice. Die größte Wandlung wird aber der öffentliche Raum erfahren. Das heißt, weg vom Verkehrsraum hin zum Raum für alle. Hier haben wir die Chance, neue Grünräume zu entwickeln, Aufenthaltsqualität zu erzeugen, aber auch die notwendigen Anpassungsmaßnahmen für den Klimaschutz durchzuführen.
 
Köln hat eine besondere Begabung: Ein breiter Branchenmix lässt die städtische Wirtschaft flexibel auf Strukturveränderungen reagieren und trägt damit maßgeblich zur Resilienz gegenüber konjunkturellen Effekten und Krisen bei. Köln ist gekennzeichnet durch eine große Vielfalt im Branchenmix. Dies ist die große Stärke der Stadt, die weiterhin durch verschiedene Ansätze kultiviert werden soll.

In den „Kölner Perspektiven 2030+“ wird formuliert: „Köln schafft Raum für eine dynamische und nachhaltige Wirtschaft und für vielfältige Arbeitswelten“. Hat sich durch die Pandemie hier etwas verändert?

Grundsätzlich ist das Thema Remote-Work seit der Corona-Pandemie nicht mehr wegzudenken. Daraus resultieren unterschiedliche Anforderungen, die Büros heute erfüllen müssen. Eine entsprechende technische Infrastruktur vorausgesetzt, haben sich die Ansprüche an die Büroräumlichkeiten verändert. Einerseits sind vor dem Hintergrund stark zugenommener virtueller Treffen Rückzugsmöglichkeiten wie Telefonboxen elementar. Andererseits muss das Office gerade mehr Möglichkeiten für Meetings, das gemeinsame Arbeit, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit bieten, die es so im Homeoffice nicht gibt.

Laut einer Bevölkerungsprognose der Stadt Köln wächst die Rheinmetropole bis zum Jahr 2040 um ca. 63.000 Einwohner. Wie begegnet man der Herausforderung, allen ein Dach über dem Kopf bieten zu können?

Um die künftige Wohnraumnachfrage in Köln belastbar zu quantifizieren und zu qualifizieren, hat das Amt für Stadtentwicklung und Statistik ein Gutachten zur Ermittlung des künftigen Wohnungsbedarfes und der Wohnungsnachfrage in Köln bis 2040 an die empirica ag in Auftrag gegeben. Das Gutachten wurde Anfang 2021 vorgestellt. Es liefert die Grundlagen für eine systematische Ableitung von Konsequenzen und Zielsetzungen für die Stadtentwicklung, Wohnungs- und Wohnungsbaupolitik sowie die Festlegung von Zielwerten. Im Ergebnis wird es darum gehen, vor dem Hintergrund der tatsächlichen demografischen Entwicklung, der Flächenverfügbarkeit, der möglichen Bauleistung und etwaiger Nachhol- und Ersatzbedarfe Handlungsempfehlungen für den Wohnungsbau in Köln bis 2040 vorzuschlagen und sich mit allen Akteur*innen dahingehend zu vereinbaren, dass die Bedarfe bestmöglich gedeckt werden.

Bedarfsdeckung ist aber nicht die einzige Herausforderung, es geht vor allem um mehr und bezahlbaren Wohnraum.

Die Stadt Köln arbeitet mit vielfältigen Instrumenten daran, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum entgegenzuwirken. Basis dafür ist das Stadtentwicklungskonzept (StEK) Wohnen. Es legt in neun Handlungsfeldern mehrere Maßnahmenvorschläge dar, um den zentralen Herausforderungen Kölns als wachsende, dynamische Metropole begegnen zu können. Wichtige Instrumente sind: das Kooperative Baulandmodell und die Konzeptvergabe. Mit diesen Instrumenten soll die kontinuierliche Bereitstellung von preiswertem und öffentlich gefördertem Wohnungsbau gesichert werden. Die soziale Erhaltungssatzung, welche die Stadt einsetzt, um die Wohnungsstruktur zu erhalten, soll zudem Verdrängung verhindern und Modernisierungsmaßnahme sozialverträglich umsetzen.

Die Kölner Perspektiven 2030+ haben diese Entwicklungen bereits grob vorgezeichnet.

Unsere Stadtstrategie ist ein elementares Instrument, um die zahlreichen großen Quartiersentwicklungen in einem Zielgerüst zusammenzubinden und den gesamtstädtischen Zusammenhang aufzuzeigen. Unter dem Leitsatz „Köln sorgt für kompakte und lebenswerte Quartiere“ sind die Kölner Leitziele für alle großen Quartiersentwicklungen formuliert. Beispielsweise soll die Siedlungsentwicklung im Einklang mit leistungsfähigen Mobilitätsangeboten erfolgen, Quartiere sollen flächenschonend und in einer qualitätsvollen Dichte entwickelt werden. Die Quartiere sollen qualitätsvolle öffentliche Räume haben, gemischt und urban sein, mit vielfältigen Angeboten wie auch einer guten Nutzungsmischung entwickelt werden.

Wo wird dies bereits umgesetzt?

Wichtige Quartiersentwicklungen, wo dies umgesetzt wird, sind unter anderem unsere großen Stadtentwicklungsprojekte wie der Mülheimer Süden mit 3.600 Wohneinheiten, der Deutzer Hafen mit 3.000, die Parkstadt Süd mit 3.500, Rondorf Nord-West mit 1.300 und Kreuzfeld mit 3.000 Wohneinheiten.

Vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der Vorbereitung auf häufigere Starkregenereignisse sollen nach den Vorstellungen der Stadt Köln so wenig neue Flächen wie möglich versiegelt werden. Wie verführerisch ist angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums die Möglichkeit, auch innerhalb der Pufferzone um den Dom, in die Höhe zu bauen?

Köln wächst und der Bedarf, sich mit den verschiedenen Formen der Nachverdichtung zu befassen, liegt auf der Hand. Ein entsprechendes Steuerungsinstrument für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt hinsichtlich Dichte und Wohnungsbau-Typologien befindet sich mit dem „Köln Katalog“ aktuell in der Bearbeitung. Die Innenstadt ist bereits stark verdichtet und Nachverdichtungen sind – auch vor dem Hintergrund der Klimawandelfolgen – sorgsam zu betrachten.
 
Was die Nachverdichtung in der Höhe insbesondere im Bereich der Pufferzone um den Dom betrifft, gilt festzuhalten, dass hierzu im Jahr 2007 ein Höhenkonzept erarbeitet und durch den Rat der Stadt Köln als verbindliches Steuerungsinstrument beschlossen wurde. Dieses differenzierte und wegweisende Regelwerk zur Höhenentwicklung in der Innenstadt bis einschließlich der Ringstraßen setzt den Schwerpunkt auf den Schutz des UNESCO Weltkulturerbes Kölner Dom sowie die Romanischen Kirchen. Hierbei ist eine maximale Traufhöhe von 22,50 m in diesem Geltungsbereich vorgesehen. Mit dem Status UNESCO Weltkulturerbe ist die Ausarbeitung eines Dom-Management-Plans verbunden, welcher sich ebenfalls aktuell in Bearbeitung befindet und die Schutzbedürftigkeit des Kölner Doms noch einmal hinterlegt.

Das heißt: Rund um den Dom sind hohe Bauten ausgeschlossen. Wie sieht es mit anderen Zonen aus?

Die Option einer Nachverdichtung oberhalb der angeführten Traufhöhe innerhalb der Pufferzone ist aktuell nicht gegeben. Mit dem Höhenentwicklungskonzept für die Innere Stadt (bis zum äußeren Grüngürtel) soll ergänzend zum Köln Katalog in enger Verzahnung mit dem Management-Plan des Domes jedoch ein Instrument entwickelt werden, um in diesem Bereich die Möglichkeiten für eine vertikale Nachverdichtung auszuloten und die Qualität bei der Planung und Realisierung von Hochhäusern sicherzustellen.

„Grüne Stadt“ und „Nachhaltige Stadtquartiere“ sind Kernpunkte des Programms „Kölner Perspektiven 2030+“. Vor dem Hintergrund steigender Bauzinsen und Baukosten, wenig Bauland und viel zu langer Bau- und Genehmigungsverfahren. Wie realistisch sind die darin formulierten Ziele?

Die in der Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030+“ formulierten Ziele sind wichtiger denn je – wie zum Beispiel ein klimaneutrales Köln oder das Umsetzen der Verkehrswende. Nur so können wir die Transformation in die Stadt des 21. Jahrhunderts aktiv für Köln gestalten. Die größte Herausforderung in der Umsetzung liegt in der Zusammenarbeit aller Akteur*innen sowohl innerhalb von Verwaltung und Politik als auch mit den Partner*innen der Wohnungswirtschaft. Die Stadtstrategie etabliert sich gerade als verbindliches Leitkonzept und findet mit ihren strategischen Ausrichtungen immer mehr Beachtung. Das übergeordnete Ziel der Stadtstrategie liegt einerseits in der Klarstellung, wie sich Köln in den kommenden Jahren entwickeln soll und in der Vereinbarung eines gemeinsamen Zielgerüstes.
 
Eine solche übergreifende Vereinbarung als handlungsleitender Kompass ist nicht alltäglich. Die Ziele der Stadtstrategie sind nachhaltig und damit krisenfest formuliert. Die aktuellen Krisen bestätigen die Notwendigkeit und Dringlichkeit, die Ziele umzusetzen.


Zur Person:
Der gebürtige Sauerländer Markus Greitemann studierte Architektur in Berlin und Dortmund. Als Diplom-Ingenieur war er in verschiedenen Unternehmen tätig. Seit 2010 war er zudem Dezernent des Gebäude- und Liegenschaftsmanagements der Universität zu Köln. Der Masterplan 2025 zum Hochschulstandort-Entwicklungsplan trägt ebenso Greitemanns Handschrift wie auch die Reorganisation des Gebäude- und Liegenschaftsmanagements. Seit Ende Februar 2018 ist er Dezernent für Planen und Bauen und war bis August 2022 Dezernent für Stadtentwicklung und Wirtschaft Stadt Kö