Allgemein / 14.09.2022

Gemeinsame Stellungnahme – „Neuaufstellung Regionalplan“

Gemeinsame Stellungnahme – „Neuaufstellung Regionalplan“

„Ein nachhaltig wachsendes Köln braucht Flächen für Wohnen, Gewerbe und die öffentliche Daseinsvorsorge!“

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Unterzeichner nehmen in Form einer gemeinsamen Erklärung für die nachfolgend
aufgeführten Institutionen zum aktuell ausgelegten Entwurf der Neuaufstellung des
Regionalplans Köln Stellung:

1. BFW Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V., Herzogstraße 37, 40215 Düsseldorf
2. WIK Wohnungsbau Initiative Köln, Sachsenring 83, 50677 Köln
3. Kölner Haus- und Grundbesitzerverein von 1888, Hohenzollernring 71-73, 50672 Köln

Ausgangslage

Die Stellungnahme bezieht sich ausschließlich auf die für das Stadtgebiet Köln im ausgelegten Entwurf zur Regionalplanung ausgewiesenen Flächenbedarfe für Allgemeine Siedlungsgebiete und Industrieansiedlungen.

Die Stadt Köln braucht deutlich mehr Wohnungen, wenn sie als lebendige WirtschaftsWissenschafts- und Kulturmetropole gleichermaßen für ihre Bewohner wie auch für neu Hinzuziehende attraktiv bleiben möchte. Köln ist also darauf angelegt, zu wachsen.

Der Bedarf an neuen Wohnungen liegt in Köln gemäß Stadtentwicklungskonzept Wohnen insgesamt bei 5.700 Wohnungen/Jahr bis 2025. Die Realisierung neuer Wohnungen in Köln ist jedoch seit Jahren rückläufig, zuletzt lag sie laut dem Institut der deutschen Wirtschaft 60 % unter dem jährlichen Neubaubedarf (IW-Wohnungsbedarfsmodell, 2021). Hierdurch entsteht neben dem Bedarf pro Jahr ein immer größer werdender Nachholbedarf („Bugwelle“).

Die Leerstandsquote liegt in Köln zudem bei unter 1%. Um angemessene Möglichkeiten zum Wohnungswechsel zu bieten, wird eine Quote von etwa 3 % benötigt. Die Konsequenzen tragen die Mieterinnen und Mieter unmittelbar. Die Preise für Wohnen sind in wenigen Jahren deutlich gestiegen. Weitere Folge sind rasant steigende Bodenpreise, die die Schaffung von Privateigentum erschwert und aufgrund der verstärkten Preisspirale dem Markt Entwicklungsflächen entzieht.

Die aktuellen Miet- und Kaufpreisentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt betreffen die gesamte Bevölkerung, vor allem aber Menschen mit einem geringen bis inzwischen auch mittleren Einkommen, wie Rentner, Studierende, Alleinerziehende und in vielen Fällen Angestellte systemrelevanter Berufe.

Längst beschränkt sich der Zugriff auf geförderten Wohnraum nicht nur auf gering Verdienende; mehr als 40 % der Kölner Bevölkerung haben heute Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Damit steigt der Druck auf dieses Segment zusätzlich.

Die realen Flächenbedarfe zur Schaffung von mehr Wohnungsbau werden durch den aktuellen Regionalplanentwurf nicht ansatzweise gedeckt.

Im Rahmen der Erstellung des Regionalplans hatte die Stadt Köln bereits vor zwei Jahren die Möglichkeit, bei der Bezirksregierung Köln Optionsflächen anzumelden. Diese damals übermittelten Flächen deckten den Bedarf für Köln nicht einmal zu einem Viertel. Die Bezirksregierung reduzierte diesen Vorschlag noch einmal auf 16 % (allgemeiner Siedlungsbereich, ASB) bzw. 9 % (Gewerbe- und Industriebereich, GIB) des ursprünglichen Bedarfs. Diese durch die Stadt Köln angemeldeten Bedarfe waren und sind für die Kölner Bürgerinnen und Bürger, aber auch für den Wirtschaftsstandort Köln völlig unzureichend. Der zurzeit gültige Regionalplanentwurf deckt noch nicht einmal den Flächenbedarf, der heute schon für Wohnen, Gewerbe und Industrie besteht.

Unzureichende Flächenausweisungen schädlich für den Wirtschafts- und Wissensstandort Köln

Zum einen werden junge Familien durch fehlende Angebote von bezahlbarem Mietraum und Möglichkeiten zur Eigentumsbildung (große Wohnungen, Reihen- und Einfamilienhäuser) in die Nachbargemeinden und das weiter entfernte Umland getrieben. 2021 sind über 7000 Personen aus den familienrelevanten Jahrgängen aus Köln abgewandert. Die oft medienwirksam angesprochene Krankenschwester, der Feuerwehrmann oder die Polizistin sind direkt betroffen. Der Traum vom Eigenheim, egal ob Wohnung oder Haus, ist für diese Berufsgruppen in Metropolen wie Köln oder Bonn und zunehmend auch in ihren Nachbargemeinden utopisch. Eine großflächige Verdrängung weiter Teile derBevölkerung und des Gewerbes ins Umland hat negative Folgen für die soziale Durchmischung der Stadtbevölkerung. Es droht eine dauerhafte Abwanderung von Arbeitskräften und Fachkompetenz in andere Kommunen.

Die unzureichende Flächenverfügbarkeit für neue Gewerbeentwicklungen erhöht zudem den Preis- und Nutzungsdruck auf die verbleibenden Flächen. Dort lassen sich nur noch hochpreisige Bürobauten entwickeln und werden damit unzugänglich für kleine und mittelständische Betriebe. Konsequenz einer solchen Entwicklung ist die dauerhafte Abwanderung von Gewerbe und damit einhergehende sinkende Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Köln. Des Weiteren sind in diesem Zusammenhang massiv erhöhte Pendlerströme zu erwarten. Der Pendlerverkehr wird deutlich zunehmen. Die derzeitige Infrastruktur ist diesen Herausforderungen nicht gewachsen.

Reindustrialisierung als Zukunftsprojekt

Die Corona-Krise und nun auch der Ukraine-Krieg haben die Verletzlichkeit globalisierter Lieferketten sehr deutlich herausgestellt. Es entstehen zunehmend geopolitische Unsicherheiten, die gerade eine Unabhängigkeit von autokratischen Ländern notwendig machen. Das bedeutet zwangsläufig eine Reindustrialisierung, indem wieder ein größerer Teil der Produktion von Produkten in die Region zurückgeholt wird. Die Verkürzung von Lieferketten unter hohen europäischen Produktionsstandards ist aus Nachhaltigkeitssicht dazu überaus begrüßenswert, kann aber nur unter lokaler Flächeninanspruchnahme geschehen. Hierfür müssen zusätzliche gewerbliche Bauflächen bereitgestellt werden.

Sinnvolle Flächennutzung ist der beste Klimaschutz

Mit einer solchen, offensichtlich politisch getriebenen Verknappung der Flächen werden einer sinnvollen Stadtentwicklungspolitik über Jahre die Hände gebunden. Steigende Pendlerverkehre werden sich nachteilig auf das Klima in der Region auswirken. Der ÖPNV ist nicht auf eine stetig steigende Einpendlerquote ausgerichtet, die das Resultat einer solchen Flächenpolitik wäre. So würden noch mehr Menschen zum Umstieg aufs Auto gezwungen.

Wir sind der Meinung, dass der Klimaschutz in Köln nicht an der Stadtgrenze aufhören darf. Für ein nachhaltig wachsendes Köln müssen Standorte gefunden werden, die gesellschaftliche Bedarfe und Klimaschutzziele vor Ort vereinen. Dieser Auswahlprozess braucht einen Regionalplan mit vielen Flächenpotenzialen, die Platz für Wohnungssuchende aller Einkommensschichten, Gewerbetreibende, Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge und eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik bieten. Untätigkeit im Wohnungsbau aus vorgeschobenen Nachhaltigkeitszielen führt zu den beschriebenen Folgen für Verkehr und Flächenverbrauch.

Heute entscheidet sich, wie wir in 20 Jahren leben werden

Die Metropole Köln benötigt ein größeres Angebot an Wohnraum, damit Mietpreise bezahlbar bleiben. Der Wirtschaftsstandort Köln hat einen enormen Bedarf an Gewerbe- und Industrieimmobilien. Und die familienfreundliche Stadt Köln braucht dringend
dutzende Schulen. Statt nur auf das zu schauen was nicht geht, fordern wir die Kölner Politik und die Verwaltung auf, in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung eine Flächennutzung und -entwicklung in Köln zu ermöglichen, in der Wachstum und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind, sondern zusammengeführt werden. Den Raum dafür bietet Köln.

Jetzt werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Nur wenn die Stadt alle ihre Handlungsspielräume nutzt, um in den nächsten zwei Dekaden angemessen auf Herausforderungen reagieren zu können, werden die Kölnerinnen und Kölner auch 2046 noch gerne in ihrer Stadt leben.

Unsere Forderung: Potentiale für künftiges nachhaltiges Wachstum der Stadt sichern!

Der Regionalplan zeigt lediglich Siedlungspotentiale auf. Erst später entscheidet der Kölner Rat durch die Aufstellung von Bebauungsplänen, ob und wo diese genutzt werden sollen. Deshalb geht es jetzt um die Sicherung zukünftiger Chancen für die nachhaltige Weiterentwicklung unserer Stadt. Der aktuelle Regionalplanentwurf bietet hierfür ein viel zu geringes Flächenvolumen, welches die tatsächlichen Bedarfe in den Segmenten Wohnen und Gewerbe nicht annähernd deckt. Bislang decken die für das Kölner Stadtgebiet dargestellten Erweiterungsflächen der sog. „Allgemeinen Siedlungsbereiche“ lediglich 16% des hierfür vom Land NRW für die Stadt Köln errechneten Bedarfs und die Erweiterungsflächen der sog. „Gewerbe- und Industriebereiche“ nur 12% des hierfür errechneten Bedarfs bis 2040.

Wir fordern daher die Bezirksregierung Köln auf, den Regionalplan den vom Land NRW festgestellten Flächenbedarfen zu 100 Prozent anzupassen. Andernfalls liegt es in der Verantwortung des Landes, den Bürgerinnen und Bürgern schon heute mitzuteilen, dass eine zeitgemäße Entwicklung und Modernisierung der einwohnerstärksten Stadt Nordrhein-Westfalens politisch nicht mehr angestrebt wird. Faktisch ist sie jedenfalls mit diesem Regionalplanentwurf nicht mehr realisierbar.